Täglich Fieber by Jochen Jung

Täglich Fieber by Jochen Jung

Autor:Jochen Jung [Jung, Jochen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon Verlag
veröffentlicht: 2015-05-03T16:00:00+00:00


Sauna

Komm doch.

Wohin?

Komm schon.

Wohin denn?

In die Sauna!

Es war August, weit über Mitte August. Und es war etwa elf Uhr vormittag. Erst vor wenigen Minuten hatte er vom Bus aus über einer Tankstelle das Datum 22. 8. und die Temperaturangabe 28° in roten Neonzeichen abgelesen.

Zur Feier des Tages, sagte sie.

Und zur Feier der Nacht, sagte er, stolz auf seine Schlagfertigkeit. Er wußte natürlich, was sie meinte: Sie kannten sich nun seit 22 Tagen, und am Abend zuvor hatten sie einander entdeckt. Wenn sie auch ein paar Monate älter war als er: beide waren sie 22 Jahre alt.

Und natürlich wußte sie, was er mit der Feier der Nacht gemeint hatte. Es war zum ersten Mal eine ganze Nacht gewesen, die sie miteinander verbracht hatten. Ihre Eltern waren für zwei Tage verreist, und also hatten sie die ganze Wohnung für sich gehabt.

Sie waren aus dem Bus gestiegen, um ins Kaffeehaus zu gehen, am Fluß entlang, unter den Bäumen. Weil es so heiß war, hatte er für ein paar Augenblicke ihre Hand losgelassen und beiläufig die Feuchtigkeit an der Hose abgewischt.

Im Nu war sie ihm ein, zwei Schritte voraus gewesen, hatte sich mit einem Schwung umgedreht und nun das gesagt. In die Sauna.

Da war ich noch nie.

Dann wird es höchste Zeit.

Ist es aber nicht –

Nein, ist es nicht, und da hatte er ihr schon mit runder Hand den Mund verschlossen, sie gleichzeitig um die Hüfte gefaßt und gesagt: O.k. O.k., wir gehen in die Sauna. Sie sah ihn von der Seite an; was für ein schöner Mensch, was für ein Mensch, sprach es fortwährend in ihr, und der Gedanke, zusammen mit ihm in der Sauna zu sitzen, nackt, aber ohne ihn anfassen zu dürfen, ja ohne überhaupt zu zeigen, daß sie diesen Leib, diesen Menschen kannte! Ja, o ja, das mußte die Spielregel sein: mit Betreten der Sauna so zu tun, als hätten sie einander nie gesehen. Nur Blicke sollten erlaubt sein, die allerdings, wie und wohin man wollte.

Er war mit diesem Reglement sehr einverstanden, alles andere, das wußte er, wäre ihm noch peinlicher gewesen. Aber im Unvertrauten etwas sehr Vertrautes zu haben, fand auch er beruhigend. Beruhigend oder aufregend. Oder beides.

Hinterher wird gefrühstückt, wie es sich gehört, freute sie sich schon. Und dazwischen, fragte er skeptisch, muß ich ins Kalte?

Ja, du mußt, aber wirklich kalt ist es nicht, nur anders, du wirst sehen.

Jetzt war tatsächlich etwas Wind aufgekommen. Die Bäume am Ufer durchlief ein leichtes Kräuseln, und die lastenden Abgase wurden von einem Moment der Frische durchzogen und damit noch auffälliger. Aber auch ihr Haar rührte sich, und er schaute zu ihr hinüber, sah das Profil mit der scharfen Nase und dachte, was für eine kluge Frau. Sauna, wie kommt sie nur darauf? Und für einen Augenblick sah er sie nur mit einem Handtuch über den Hüften auf dem Lattenrost liegen, aber schon wußte er, daß das jetzt nur das Bild von jenen Saunaanzeigen war, was ihm da in den Sinn kam. Er hatte, als er jung war, solche Anzeigen immer sehr intensiv betrachtet



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